Wenn Sie das Gefühl haben, dass Ihr Alkoholkonsum oder der Ihres Gegenübers nicht mehr unproblematisch ist, stellen Sie sich folgende Fragen:

  • Wann war zum letzten Mal ein Tag ohne Alkoholkonsum?  Müssen Sie darüber nachdenken? Wenn ja, können Sie davon ausgehen, dass Sie den Bereich des Genusstrinkens hinter sich gelassen haben
  • Haben Sie mehrmals im Monat einen HDD? (= hard drinking day, siehe vorheriger Beitrag)
  • Wie oft haben Sie Katerbeschwerden am nächsten Tag?
  • Stellen Sie öfter mal einen gewissen Kontrollverlust fest? (Sie wissen, dass es jetzt eigentlich genug ist, trinken aber trotzdem weiter)

Wie können Sie gegensteuern?

  • Lassen Sie Ihre Blutwerte überprüfen und falls Ihre Leberwerte erhöht sind, sprechen Sie mit Ihrem Arzt darüber.
  • Führen Sie Tagebuch und notieren Sie penibel jeden Alkoholkonsum
  • Machen Sie mindestens vier trockene Tage pro Woche am Stück
  • Wenn Sie trinken, trinken Sie nach jedem Glas Alkohol ein Glas Wasser und reduzieren Sie die Menge der alkoholischen Getränke
  • Machen Sie einen trockenen Monat pro Jahr, gern auch acht Wochen
  • Falls Sie Bedenken und den Eindruck haben, Ihr Konsum geht Richtung Missbrauch, halten Sie eine dreimonatige völlige Alkoholabstinenz ein.

Alkoholabhängigkeit besteht, wenn:

  • Kontrollverlust auftritt
  • Zwang zum Weitertrinken besteht, sobald man einmal begonnen hat
  • bei Abstinenz Entzugssymptome auftreten (Zittern, Schwitzen, Schlaflosigkeit, innere Unruhe, morgendliche Übelkeit)
  • Toleranzentwicklung: es braucht eine immer höhere Dosis, um denselben Effekt zu erreichen
  • das Trinken von Alkohol eine Funktion übernimmt: Stressabbau, Angstlöser, Schmerzbetäubung, locker sein, Stimmungsaufheller…

Selbsttest: (CAGE)

  • Haben Sie das Gefühl, Sie sollten Ihren (Alkohol)konsum verringern?  (cut-down)
  • Haben Sie andere Personen schon verärgert, indem diese Ihr Trinkverhalten oder Ihren Zugang zu anderen Substanzen kritisierten? (annoyed)
  • Haben Sie sich jemals schuldig oder schlecht wegen Ihres Konsums gefühlt? (guilty feelings)
  • Brauchen Sie morgens Alkohol/andere Suchtmittel, um leistungsfähig zu sein oder sich nicht krank zu fühlen? (eye opener)

Grob über den Daumen gepeilt: wenn Sie eine Frage mit ja beantwortet haben, können Sie davon ausgehen, dass Ihr Alkoholkonsum Richtung Alkoholmissbrauch geht, bei zweimal Ja sprechen wir von Abhängigkeit.

Zit. E. Taylor:

“Ich war so dumm und arrogant, zu glauben, ich wäre eine harmlose Gelegenheitstrinkerin und hätte meinen Alkoholkonsum jederzeit im Griff. Das ist Selbstbetrug, den sich jeder Alkoholiker vorgaukelt.”

In Österreich sind etwa vier Prozent der Erwachsenen alkoholsüchtig, zehn Prozent konsumieren gesundheitsgefährdend viel Alkohol. Bis zu dreißig Prozent gelten als alkoholgefährdet.

Grundsätzlich gilt: Alkohol ist ein Zellgift. Es gibt keine “gesunde” Menge davon.

Definitiv gesundheitsschädlich sind HDD: hard drinking days, das ist folgende Menge:

bei Männern: über 60 g reinen Alkohol pro Tag

bei Frau: über 40g reinen Alkohol pro Tag (etwas weniger als eine halbe Flasche Prosecco)

Hier ein kleiner Überblick bzgl wieviel Alkohol ist im Getränk:

  • 0,5l Bier: ca 20g
  • 1 Seidl Bier – 0,33l: ca. 14g
  • Ein Viertel Wein: ca. 25g
  • ein Glas Sekt: ca. 33g
  • 0,1 Whisky: ca. 32g

die Abbaurate von Alkohol beträgt bei Frauen etwa 0,1 Promille pro Stunde, bei Männern 0,15.

 

  • Sobald Sie versuchen, die Sucht Ihres Angehörigen zu kontrollieren, wird er die eigene Kontrolle nicht erhöhen: je mehr fremde Kontrolle, desto weniger eigene.
  • Dies ist der wichtigste Punkt, den Sie wissen sollten: Sie können die Suchtkrankheit Ihres Angehörigen/Freundes nicht kontrollieren und schon gar nicht in den Griff bekommen. Das kann einzig und allein er/sie selbst.
  • Jeder erwachsene Mensch ist für seine Handlungen selbst verantwortlich.
  • Wo die Grenze Ihres Einflusses erreicht ist, endet auch Ihre Verantwortung.
  • Sollten Sie selbst unter einer Sucht leiden, sind Sie für den Suchtkranken automatisch unglaubwürdig.
  • Ihr Lebenszweck kann nicht darin bestehen, einem Gegenüber bei der Bewältigung seiner Traumata, seiner Erkrankung und seiner Grundeinstellung zum Leben zu helfen.
  • Gehen Sie mit dem Problem nach außen, wenden Sie sich an Beratungsstellen, Selbsthilfegruppen und suchen Sie das Gespräch mit Fachpersonal.
  • Diskutieren Sie mit dem Suchtkranken nur, wenn er nüchtern ist.
  • Sorgen Sie gut für sich selbst, jenseits der Beziehung zum Suchtkranken.
  • Schaffen Sie sich Außenräume.
  • Halten Sie sich immer wieder vor Augen, dass Sie nicht schuld sind am Zustand des Suchtkranken: das ist er/sie ganz allein.
  • Übernehmen Sie keinesfalls Verantwortung für die Krankheit, sein Zustandsbild und sein Leben.

Partner und enge Angehörige von Suchtkranken zeigen typische, sich wiederholende Verhaltensmuster, sowohl gegenüber dem betroffenen Angehörigen als auch nach außen.

Co-Abhängige

  • verleugnen das Problem nach außen, machen es kleiner als es ist – “Aber geh, soviel trinkt er ja gar nicht!” oder relativieren – “Alkohol ist in unserer Gesellschaft üblich, fast alle trinken!” – oder finden Gründe für das Verhalten des Suchtkranken. “Sie trinkt nur, weil sie Schmerzen hat und die Tabletten wirken nicht!”
  • übernehmen Verantwortung für die Suchterkrankung des Partners. “Ich hab sie aufgeregt und sie wurde wütend, da trinkt sie dann immer zu viel!”
  • deckt ihn nach außen, z.B. im Job. “Mein Mann hat eine Halsentzündung und kann deshalb nicht selbst anrufen!”
  • toleriert Ausraster und Stimmungswechsel des Abhängigen und versucht immer, Ruhe und Frieden herzustellen
  • gleicht Unzuverlässigkeiten, soziale Ausrutscher und zwischenmenschliche Auffälligkeiten aus
  • akzeptiert zunehmend die Missachtung des Suchtkranken, dessen Schuldzuweisungen  und Vorwürfe, eventuell auch tätliche Übergriffe

Paradoxerweise führen die Bemühungen des Co-Abhängigen, den Suchtkranken zu retten, in Wirklichkeit nur dazu, dass dieser den Tag hinaus schieben kann, an dem er Eigenverantwortung mit allen ihren Konsequenzen übernehmen muss.

 

Keine Kindheit verläuft ausschließlich glücklich, wenige Menschen durchleben sie ohne Verletzungen.  In dysfunktionalen Familien sind Traumata jedoch wiederholt und häufig, verbunden mit dem Verbot, über die dadurch ausgelösten Emotionen zu sprechen. Typische Muster entstehen beispielsweise durch einen suchtkranken Elternteil, aber auch durch Missbrauch jeder Art oder schwere geistige und körperliche Behinderungen eines Familienmitgliedes.

In einer dysfunktionalen Familie gilt: Loyalität ist das Wichtigste! Die Alkoholsucht der Mutter, die Psychose des Vaters, körperliche und seelische Misshandlungen werden totgeschwiegen: es darf sie nicht geben, deshalb gibt es sie auch nicht. Die Fassade nach außen zu erhalten ist weit wichtiger, als die Bedürfnisse der einzelnen Familienmitglieder.

Da Kinder prinzipiell alles, was in ihrer Familie passiert, als normal interpretieren, sehen sie sich oft erst als Erwachsene mit mannigfaltigen seelischen Belastungen konfrontiert, die auf die Probleme der Herkunftsfamilie hinweisen. Kindheitstraumata sind oft die Wurzel starker irrationaler Überzeugungen, die das Leben dauerhaft belasten können. Die Bearbeitung dieses Themas wird noch schwieriger, wenn die Restfamilie die Problematik negiert und die Familiengeschichte quasi “umschreibt”, damit sie besser ins Narrativ passt.

Wie erkennen Sie, ob sie von dysfunktionalen Mustern aus der Herkunftsfamilie betroffen sind? Hier ein paar Anhaltspunkte:

  • Sie fühlen sich als Erwachsener noch immer verantwortlich für die Probleme der Eltern.
  • Sobald Sie sich von ungesunden Verhaltensmustern lösen, die Sie in Ihrer Kindheit gelernt haben, haben Sie Schuldgefühle, glauben, illoyal zu sein.
  • Schuldgefühle sind auch ein großes Thema, wenn Ihr Leben erfolgreicher und leichter als das Ihrer Eltern/der Mitglieder Ihrer Kernfamilie ist.
  • – oder weil Sie ausgezogen sind (“Die Eltern allein gelassen haben”) und ihre eigenen Wege verfolgen.
  • Sie  neigen zu Depression und/oder generalisierten Angststörungen
  • Sie wählen Partner/innen aus einem Mangelbewusstsein heraus
  • Oder Sie neigen Ihrerseits dazu, in Beziehungen alte, dysfunktionale Muster zu wiederholen, haben Schwierigkeiten, stabile, langfristige Beziehungen zu führen.
  •  Ihre Selbstachtung ist brüchig: viel Fassade, wenig Stärke dahinter
  • Sie reagieren übertrieben heftig auf persönliche Kritik.
  • Sie fühlen sich oft ohne direkten Anlass isoliert, einsam, zutiefst traurig
  • Sie neigen selbst zur Suchtproblematik.
  • Sie haben ein starkes Kontrollbedürfnis.
  • Ihre Selbstachtung ist gering, wirkt aber nach außen durchaus stark.

In dysfunktionalen Familien ist besonders dieses typische Kommunikationsmuster – starre, glänzende Fassade nach außen,  Sprachlosigkeit, Verleugnung,  Schweigen im Inneren – für Heranwachsende problematisch, da sie nicht lernen, ihren eigenen Gefühlen zu vertrauen.

Typische Rollen  der Kinder, ausgelöst durch Familienstrukturen, die durch Unsicherheit und Chaos gekennzeichnet sind:

  • der Held der Familie:  ist früh ein verantwortungsbewusster kleiner Erwachsener, der dem nicht betroffenen Elternteil hilft, das Konstrukt aufrecht zu erhalten. Hat oft Fähigkeiten entwickelte, die weit über sein Alter hinaus gehen.
  • der Friedensstifter: gleicht Konflikte aus, macht zwischen streitenden Parteien den Diplomaten und kann das auch sehr gut. Lernt früh, extrem sensibel auf die Gefühlslage anderer zu reagieren.
  • der Unsichtbare: zieht sich in sich zurück und rettet sich in die Anpassung. Vermeidet ausgeprägte oder von der Gruppe abweichende Meinungen, aber auch enge Bindungen außerhalb der Familie. Ein Einsamer.
  • der Spaßmacher: zieht die Aufmerksamkeit auf sich und lenkt von der gestörten Elternebene ab. Witzig, oft skurril, heitert alle auf und sorgt für bessere Stimmung.
  • das schwarze Schaf/der Sündenbock:  wütend, unsozial, auffällig in der Schule, neigt früh zur Delinquenz, steckt dauernd in Schwierigkeiten und Rebellion. Lenkt so die Aufmerksamkeit von den zentralen Problemen der Familie weg und auf sich.

Diese Rollen können wechseln: geht der Held aus dem Haus, kann z.b. der Sündenbock dessen Verhalten übernehmen und sich völlig ändern. Verlässt das schwarze Schaf den Familienverband, beginnt vielleicht der Spaßmacher sozial schwierig zu werden.